Finn Ole Ritter im Abendblatt: Neuer Parteichef Finn-Ole Ritter – er ist der Hoffnungsträger der FDP Hamburg

Hamburg. Nach Desaster bei den Wahlen müssen die Liberalen wieder klein anfangen. Neuer Parteichef Finn-Ole Ritter setzt auf sozial-liberale Schwerpunkte.

Finn Ole Ritter im Abendblatt

© FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Am 20. September hat die FDP Hamburg endlich wieder einen Grund zu feiern. Dann begeht die Partei ihren 80. Geburtstag in der Patriotischen Gesellschaft mit einem Festakt, zu dem neben dem Bundesvorsitzenden Christian Dürr auch die langjährige Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Europapolitikerin Svenja Hahn und Matthias Brandstätter von den Neos aus Österreich erwartet werden. Die FDP Hamburg war die erste liberale Partei Westdeutschlands, die mit Zustimmung der britischen Besatzer 1945 gegründet wurde.

Zuletzt hatte die FDP Hamburg wenig zu feiern: Bei der Bundestagswahl blieben die Liberalen auch in Hamburg mit 4,5 Prozent der Stimmen klar unter der magischen Marke und mussten empfindliche Verluste von 6,9 Prozentpunkten hinnehmen. Bei der Bürgerschaftswahl eine Woche drauf kam es noch dicker: Die Liberalen fielen auf 2,3 Prozent zurück. Das letzte Erfolgserlebnis liegt über ein Jahr zurück. Bei den Bezirksversammlungen zogen die Liberalen in alle Bezirksparlamente mit mindestens 4,7 Prozent ein – und holten in Altona sogar 7,6 Prozent der Stimmen.

Finn-Ole Ritter: Hoffnungsträger aus Wandsbek

Aus den Bezirken muss der Neuaufbau kommen. Und daher kommt auch der Hoffnungsträger für einen Wiederaufstieg aus den Bezirken – genauer gesagt aus Wandsbek. Finn-Ole Ritter ist amtierender Fraktionschef seiner Partei in der dortigen Bezirksversammlung und seit April Landesvorsitzender. Der 47-Jährige muss nun die Trümmer zusammenkehren und etwas Neues aufbauen. Anders als viele Alphamänner der FDP tritt er nicht nassforsch auf, sondern ruhig und bedächtig.
„Ich bin politikinfiziert“, sagt der selbstständige Versicherungsunternehmer über sich selbst. „Ich habe es mal zwei Jahre ohne Politik versucht – das hat mir nicht gefallen.“ Ritter ist kein Vertreter des hippen Hamburgs, der mit Altbaublick auf die Welt schaut, sondern ein bodenständiger Kaufmann aus den Walddörfern. „Die Themen der Menschen in Duvenstedt decken sich nicht unbedingt mit denen der Bewohner in Ottensen. Hamburgs Problem ist, dass die derzeitige Politik sehr stark durch die Brille des urbanen Raums geprägt wird.“ Für Senioren aus den Walddörfern sehe das Ziel der Fahrradstadt ganz anders aus, sagt das frühere Bürgerschaftsmitglied.

Rebellion und Pflicht: Ritters Jugendjahre

„Ich versuche, die FDP so zu positionieren, dass es keine einfachen Antworten gibt“, sagt er. „Schon in der Schulzeit hatte ich Probleme damit, wenn man mir sagen wollte, was ich zu tun habe.“ Er rebellierte gegen Autoritäten, aber war trotzdem jeden Morgen als 16-Jähriger pünktlich bei seiner Ausbildungsstelle zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Später verweigert er den Wehrdienst und leistete seinen Zivildienst in der Behindertenpflege. „Da habe ich Inklusion sehr früh gelebt“, sagt der frühere Juli-Landesvorsitzende.

Ritter ist Familienmensch: Als ältester Sohn einer Hamburger Familie in Baden-Württemberg verlor er mit 21 Jahren seine Mutter - und übernahm nach diesem Schicksalsschlag die Erziehung seiner sechs jüngeren Geschwister mit. „Da war ich gefordert, ich musste da sein, obwohl ich mich erst kurz zuvor als Versicherungskaufmann selbstständig gemacht hatte.“ Diese Zeit hat zusammengeschweißt. Bis heute kommt die Familie einmal im Jahr zum großen Treffen zusammen - inzwischen sind es allein 16 Nichten und Neffen.

Chancengleichheit als Schlüssel für sozialen Aufstieg

Ritter, verheirateter Vater eines Stiefsohns, bürstet manche Dinge gegen den Strich. Er sieht sich in der Tradition des liberalen Aufstiegsversprechens. „Mir ist nicht wichtig, woher jemand kommt, sondern wohin er will.“ Es gehe darum, den Menschen keinen Lebensweg vorzugeben, sondern Möglichkeiten zu eröffnen. „Warum müssen die Kinder heute immer Abitur machen? Auch andere Bildungsabschlüsse sind wertvoll“, sagt der Politiker mit Mittlerer Reife. Er hat beides in der Familie: Geschwister mit Hochschulabschluss und Handwerksmeister.

Zentral sei Chancengleichheit, die in Kita und Schule erreicht werden müsse. „Wir müssen aber Unterschiedlichkeiten akzeptieren. Ergebnisgleichheit kostet Wohlstand.“ Ritter träumt von einer neuen Aufstiegsgesellschaft. „Wenn Anstrengungen sich nicht mehr lohnen, ersticken wir den Fortschritt, und keiner geht mehr ins Risiko.“ In diese Weltsicht spielt seine Lebensgeschichte hinein - als Junge teilte er sich sein Zimmer mit seinen zwei kleineren Brüdern.

FDP-Ritter: „Das wird ein langer Weg zurück“

Anstrengend wird auch der Wiederaufbau der FDP in Hamburg. „Das wird ein langer Weg zurück“, gibt Ritter zu. Seine Mannschaftskollegen bei der Ü40 des Walddörfer SV fragen ihn manchmal, warum er sich den Knochenjob, fast ein Vollzeitehrenamt, bei der 2,3-Prozent-FDP antut. Er antwortet dann mit einem Bild aus dem Fußball: „Wenn einer der beiden Hamburger Fußballvereine in die 5. Liga absteigen würde, wärst du dann für den anderen?“

Er möchte die FDP zunächst in den Bezirken als konstruktive Kraft positionieren. „Das machen wir in Wandsbek: Hart in der Sache, fair im Ton und respektvoll im Umgang.“ Ritter verweist darauf, dass die FDP in allen Bezirksparlamenten vertreten sei und in Wandsbek, Mitte und Nord in unterschiedlichen Konstellationen mitregiert - in seiner politischen Heimat sogar als Ampel. „Wenn es nicht um Finanzen geht, klappt das sehr pragmatisch“, sagt der Duvenstedter.

Seine Wut über die Union ist bis heute nicht verraucht

Ihn ärgert, dass die Öffentlichkeit allein die FDP für das Scheitern der Ampel im Bund verantwortlich macht. „Ein Zerwürfnis hat viele Verantwortliche“, sagt er. Besser geworden sei es mit der Großen Koalition keinesfalls. „Eine nachhaltige Haushaltspolitik gibt es nicht mehr.“ Die Wut über die CDU ist bei Ritter wie bei vielen anderen Liberalen nicht verraucht. „Jede Stimme für die FDP als verlorene Stimme zu bezeichnen, hat mich sprachlos gemacht: So tief muss man erst einmal sinken.“
Als sein politisches Vorbild beschreibt er den langjährigen Innen- und Außenminister Hans-Dietrich Genscher. „Er war eine Persönlichkeit. Für die Freiheit gab er sein letztes Hemd.“ Gerade heute werde diese Stimme der Freiheit immer leiser. Ein Beispiel sei für ihn der Zukunftsentscheid am 12. Oktober, wo es um einen verschärften Klimaschutz gehe. Ritter lehnt das Ansinnen ab.

„Ein Ja zum Zukunftsentscheid wird die Stadt sozial schwächen“

„Es ist wichtig, Ambitionen zu haben. Aber ein Ja zum Zukunftsentscheid wird die Stadt sozial schwächen.“ Wenn allein die ökologische Sanierung pro Wohnung wie berechnet 45.000 Euro koste, werde es am Ende viele Verlierer geben. Den FDP-Politiker sorgt, dass das ökonomische Denken auf dem Rückzug sei. „Manche Menschen glauben, unser Wohlstand ist im Grundgesetz festgeschrieben. Wenn der Zukunftsentscheid Erfolg hat, sehe ich für die energieintensive Industrie in Hamburg schwarz.“

Die Zukunft der FDP sieht er rosiger. „Wir übernehmen seit 80 Jahren Verantwortung für diese Stadt, waren die erste Partei, die die Alliierten hier zugelassen haben.“ Nun müsse es darum gehen, den Anhängern und Unterstützern neuen Mut zu geben. Immerhin - die Mitgliederzahl sei bei knapp 2000 konstant. Sein Rezept: „Wir müssen persönliche Befindlichkeiten zurückstellen. Entweder haben wir gemeinsam Erfolg - oder gar keinen Erfolg.“

 

Von Matthias Iken, Stv. Chefredakteur Morgenpost

13.09.2025, 06:00 Uhr