FDP-Positionen zum „Hamburger Zukunftsentscheid“: Eine Ablehnung aus Verantwortung

Der „Hamburger Zukunftsentscheid“ verspricht eine beschleunigte Klimaneutralität bis 2040, jährliche CO2-Budgets und verpflichtende soziale Verträglichkeit. Auf den ersten Blick klingen diese Ziele ehrenwert und ambitioniert. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Initiative jedoch als ein unrealistisches und potenziell verheerendes Vorhaben für Hamburg. Sie ignoriert die immensen finanziellen Belastungen für Bürger und Wirtschaft, verschärft den Fachkräftemangel und führt zu einer bürokratischen und damit ineffizienten Klimapolitik. Statt wirksamen Klimaschutz zu fördern, droht der Zukunftsentscheid Hamburgs Wettbewerbsfähigkeit zu untergraben, Arbeitsplätze zu gefährden und die Lebenshaltungskosten drastisch zu erhöhen, ohne einen signifikanten globalen Beitrag zu leisten. Wir lehnen diesen „Zukunftsentscheid“ ab, weil wir an einen Klimaschutz glauben, der realistisch, wirtschaftlich tragfähig und sozial gerecht ist – und nicht an Symbolpolitik auf Kosten der Hamburgerinnen und Hamburger.

Klimaschutz – Ja, aber richtig!

Klimaschutz ist eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit. Die Notwendigkeit, Emissionen zu reduzieren und eine nachhaltige Zukunft zu gestalten, steht außer Frage. Doch die besten Absichten sind zum Scheitern verurteilt, wenn die Wege zur Erreichung der Ziele nicht umsetzbar sind und die Gesellschaft überfordern. Der „Hamburger Zukunftsentscheid“ fordert eine drastische Verschärfung des bereits bestehenden Hamburgischen Klimaschutzgesetzes. Doch immer schärfere Ziele ersetzen noch keinen Plan zur Umsetzung. Wir brauchen eine kluge Klima- und Energiepolitik mit Augenmaß, die Menschen, Wirtschaft und soziale Realitäten berücksichtigt, statt „realitätsferne Wunschträume“ zu verfolgen, die Hamburg in eine ungewisse Zukunft führen könnten.

1. Die Illusion der Beschleunigung: Warum 2040 unrealistisch ist

Die Kernforderung des Zukunftsentscheids ist die Vorverlegung der Klimaneutralität Hamburgs von 2045 auf 2040. Dieses Ziel wird als „notwendige Ambition“ und „regionale Führungsrolle“ verkauft. Doch die Realität sieht anders aus:

  • Fehlende Machbarkeitsstudien für die Gesamtstadt: Der Hamburger Senat betont, dass keine wissenschaftlichen Studien vorliegen, die die Machbarkeit einer Klimaneutralität für die gesamte Stadt bis 2035 oder 2040 belegen. Bestehende Studien, die der Senat in Auftrag gegeben hat, bewerten bereits das weniger ambitionierte 2045-Ziel als „sehr ehrgeizig“. Die von Befürwortern oft zitierte OECD-Studie der Handelskammer konzentriert sich ausschließlich auf den Wirtschaftssektor und berücksichtigt nicht den immensen Transformationsbedarf in Bereichen wie Energieversorgung, Verkehr, Hafen oder Wohnungsbau für die gesamte Stadt.
  • Andere Bundesländer als Warnsignal: Während einige Bundesländer Klimaneutralität bis 2040 anstreben, zeigen sich bereits jetzt Schwierigkeiten. Baden-Württemberg wird die Klimaziele der ersten Stufe voraussichtlich nicht erreichen, und Bayern hat konstatiert, dass Klimaziele keine Priorität mehr haben. Dies unterstreicht, dass „schnell“ nicht immer „gut“ bedeutet und eine langfristig aufrechterhaltbare Klimaneutralität wichtiger ist als ein überhasteter, zum Scheitern verurteilter Versuch.
  • Disproportionaler Aufwand für minimalen Effekt: Hamburgs Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß ist verschwindend gering, und selbst am deutschen CO2-Ausstoß beträgt er maximal 2%. Die wahnwitzigen Ausgaben und Belastungen, die der Zukunftsentscheid für Hamburg bedeuten würde, stehen in keinem Verhältnis zum globalen Nutzen. Klimaschutz ist ein globales Problem, das mindestens europäische Lösungen erfordert, aber nicht kostspielige Alleingänge eines kleinen Bundeslandes.

2. Finanzielle und soziale Belastungen: Ein unbezahlbares Versprechen

Die Forderung nach „verpflichtender Sozialverträglichkeit“ klingt zunächst bürgernah. Doch die Initiative bleibt die Antwort schuldig, wie diese Sozialverträglichkeit finanziert werden soll, ohne die Bürger und den Haushalt massiv zu belasten.

  • Explosion der Wohnkosten: Die Dekarbonisierung des Hamburger Wohngebäudebestands wird auf mindestens 40 Milliarden Euro[1] geschätzt. Dies entspricht durchschnittlich 45.000 Euro pro Wohnung. Die Wohnungswirtschaft warnt eindringlich, dass diese Investitionen unweigerlich zu „deutlich höheren Mieten“ führen würden. Die Initiative delegiert die Kosten auf den Staat und damit auf den Steuerzahler, ohne konkrete Finanzierungspläne vorzulegen.
  • Belastung des Landeshaushalts: Der Zukunftsentscheid würde den Senat verpflichten, jährlich durchschnittlich circa 50-100 Millionen Euro[2] zusätzlich für die Subventionierung des ÖPNV, die Förderung von Photovoltaik und die Abfederung von Mieterhöhungen bereitzustellen. Hinzu kommen unmittelbare Zusatzkosten für den Senat von rund 5 Milliarden Euro durch die Beschleunigung des Ziels auf 2040. Dies würde andere wichtige Bereiche wie Kindergärten und Schulen belasten oder Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst nach sich ziehen. Der HVV, der bereits einen Kostendeckungsgrad von nur noch 63 % aufweist, würde noch defizitärer, was den Gesamthaushalt mit weiteren circa 350 Millionen Euro belasten würde.
  • Gefahr von „Energiearmut“ und Arbeitsplatzverlusten: Die unverhältnismäßige Belastung einkommensschwacher Haushalte durch steigende Energie- und Mietkosten ist eine reale Gefahr. Zudem drohen Arbeitsplatzverluste in traditionellen, CO2-intensiven Branchen wie dem Hafen, der Logistik, Aurubis, ArcelorMittal und der Aluminiumhütte. Der Hamburger Hafen allein trägt 38 % zum BIP Hamburgs bei und sichert 150.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze. Eine Abwanderung großer, energieintensiver Unternehmen würde nicht nur zu massiven Steuerverlusten führen, sondern auch die soziale Struktur der Stadt zutiefst treffen.

 

[1] Zahlen des Norddeutschen Wohnungswirtschafts-Verband aus 2024

[2] Dies sind sehr konservative Schätzungen durch den LFA 7, die Kosten können auch noch deutlich höher liegen. Wichtig ist es, die Initiative zu stellen bzgl der Kosten und wer das bezahlen soll bzw wo gestrichen wird.

3. Bürokratie, Fachkräftemangel und fehlende Planungssicherheit

Die im Zukunftsentscheid geforderten jährlichen CO2-Budgets und die damit verbundenen Maßnahmen sind nicht nur teuer, sondern auch ineffizient und praktisch kaum umsetzbar.

  • Bürokratie-Monster: Jährliche CO2-Budgets kollidieren mit dem zweijährigen Hamburger Haushalt und erfordern eine jährliche Anpassung der Subventionen. Dies würde eine neue Kontrollinstanz mit rund 200 Mitarbeitern und jährlichen Kosten von etwa 85.000 Euro pro Person ab 2030 erfordern, was die Bürokratie massiv aufbläht. Eine Rückentwicklung des doppischen Haushalts, die 6 Jahre und 56 Millionen Euro gekostet hat, wäre die Folge, mit weiteren ungewünschten Konsequenzen.
  • Fachkräftemangel als Bremsklotz: Schon jetzt herrscht ein erheblicher Mangel an Fachkräften, insbesondere im Handwerk, die für die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen benötigt werden. Die überhasteten CO2-Sparmaßnahmen würden diesen Engpass noch verschärfen, da Mieten und Lebenshaltungskosten in Hamburg weiter steigen und Fachkräfte von außerhalb kaum angeworben werden können.
  • Fehlende Planungssicherheit für die Wirtschaft: Der Zukunftsentscheid formuliert lediglich abstrakte Ziele, aber keine konkreten Maßnahmen. Dies schafft massive Unsicherheit für Unternehmen, deren Investitionszyklen oft fünf Jahre oder länger betragen. Die Verpflichtung zu sofortigen und jährlich verschärften Reduktionen zwingt Unternehmen zu überhasteten und teuren Umstellungen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Unternehmen außerhalb Hamburgs beeinträchtigen. Innovation entsteht nicht durch Zeitdruck, sondern durch Anreize und Freiraum.

4. Hamburg im Alleingang: Ein globaler Kampf braucht globale Lösungen

Der Zukunftsentscheid ignoriert die übergeordnete Logik des Klimaschutzes und setzt auf einen ineffektiven Hamburger Alleingang.

  • Abwanderung statt Klimaschutz: Wenn Hamburg unabgestimmt eigene, zu strenge Wege geht, drohen Betriebe ins Umland oder ins Ausland abzuwandern. Dies schadet nicht nur der Hamburger Wirtschaft und den Arbeitsplätzen, sondern kann sogar klimaschädlich wirken, da in Drittländern oft weniger effizient produziert wird und die Klimaschutzanforderungen geringer sind.
  • Marktwirtschaftliche Mechanismen sind überlegen: Klimaziele können am besten erreicht werden, wenn in einem möglichst großen Raum (Deutschland, EU, idealerweise weltweit) konsequente marktwirtschaftliche Mechanismen wie eine CO2-Bepreisung wirken. Dies sorgt dafür, dass CO2-Einsparungen dort erfolgen, wo sie am einfachsten und kostengünstigsten mit der größten Wirkung möglich sind – und das ist nicht zwangsläufig in Hamburg.
  • EU-Ziele als Maßstab: Die EU hat sich Klimaneutralität bis 2050 zum Ziel gesetzt. Warum sollte Hamburg mit wahnwitzigen Ausgaben und geringem Nutzen als „leuchtendes Beispiel“ vorangehen, wenn dies nur zu einem „erheblichen Wettbewerbsnachteil“ führt?
  • Climate Tech als Exportschlager: Große Wirkung kann der Standort Hamburg im globalen Klimaschutz vor allem als Technologiestandort für Climate Tech entfalten. Ob Recycling in der Grundstoffindustrie, klimaneutrale Produktionsverfahren oder Wasserstoff-Elektrolyse. Der Export von Zukunftstechnologien „Made in Hamburg“ kann einen entscheidenden Beitrag leisten. Dafür brauchen wir in erster Linie ein Unternehmer- und Innovationsfreundliches Umfeld und keine Kostentreiber, die Unternehmen ins Umland vertreiben.

5. Die Lehren aus Berlin: Ein warnendes Beispiel

Der gescheiterte Berliner Klimavolksentscheid im März 2023 dient als mahnendes Beispiel für Hamburg. Auch dort sollte das Klimaneutralitätsziel von 2045 auf 2030 vorgezogen werden.

  • Scheitern am Quorum: Obwohl eine Mehrheit der teilnehmenden Wähler (50,9 %) mit „Ja“ stimmte, scheiterte die Initiative, weil sie das erforderliche Quorum von 25 % aller Wahlberechtigten (18,2 % erreicht) deutlich verfehlte.
  • Unrealistische Ziele und fehlende Konkretisierung: Alle großen politischen Parteien in Berlin hielten die vorgeschlagenen Änderungen für „unrealistisch“. Es fehlten konkrete und detaillierte Ideen, insbesondere zur sozialen Verträglichkeit der Maßnahmen. Die prognostizierten Kosten von 113 Milliarden Euro für Berlin schreckten viele Wähler ab.
  • Relevanz für Hamburg: Der Hamburger Zukunftsentscheid steht vor einer ähnlichen Quorumsanforderung: Mindestens ein Fünftel (20 %) aller Wahlberechtigten, also etwa 263.338 Personen, müssen mit „Ja“ stimmen. Die Herausforderungen in Berlin – die Wahrnehmung von Realismus, der Bedarf an konkreten Umsetzungsplänen und die effektive Kommunikation potenzieller sozialer Kosten – sind direkt auf Hamburg übertragbar. Ohne klare und glaubwürdige Lösungen für die Finanzierung und soziale Abfederung droht auch der Hamburger Zukunftsentscheid am Quorum zu scheitern.