STRACK-ZIMMERMANN-Interview: Der subtile Antisemitismus geht quer durch die Gesellschaft.
FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann wurde mit der Josef-Neuberger-Medaille ausgezeichnet. Damit ehrt die jüdische Gemeinde Düsseldorf seit 1991 Personen oder Institutionen, die sich um die jüdische Gemeinschaft verdient gemacht haben. Frau Strack-Zimmermann gab der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) und der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung online“ dazu das folgende Interview. Die Fragen stellte Stephanie Weltmann.
Frage: Frau Strack-Zimmermann, was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Strack-Zimmermann: Das ist für mich ein Geschenk, gerade in diesen Zeiten. Ich hatte bereits in meiner kommunalpolitischen Arbeit immer viel Kontakt mit der jüdischen Gemeinde. Als ich jetzt gefragt wurde, war ich allerdings sprachlos. Und wer mich kennt, weiß, dass passiert selten.
Frage: Die Gemeinde würdigt Ihren Einsatz zum Abbau von Vorurteilen und für das Wachhalten der Erinnerung an den Holocaust. Fällt Ihnen das dieser Tage leichter oder schwerer?
Strack-Zimmermann: Es ist mir nie schwergefallen. Ich bin in einem Elternhaus groß geworden, in dem meine Geschwister und ich sehr sensibilisiert worden sind, dass der Antisemitismus lebt und irgendwann wieder salonfähig ist. Die Lage heute einzuordnen, ist bedingt durch die sozialen Netzwerke aber sehr komplex. Unsere Aussage, dass die Verfolgung der Juden nie wieder geschehen darf, verkommt zu einer Plattitüde, wenn wir in der jetzigen Situation nicht an der Seite, vor und hinter unseren jüdischen Nachbarn stehen.
Frage: Glauben Sie, dass der Nahost-Krieg bislang verborgenen Antisemitismus freisetzt und die Bedrohung der jüdischen Mitmenschen größer wird?
Strack-Zimmermann: Ich gehöre nicht zu denen, die Panik machen, aber ich befürchte ja. Mich schockiert und überrascht, mit welcher Härte sich dieser Judenhass in Deutschland gerade entlädt. Dem müssen wir alle etwas entgegenhalten, übrigens auch rechtsstaatlich. Man muss heute deutlich stärker wieder daran erinnern, warum es den Staat Israel gibt, nämlich als Folge der Shoah, damit es einen sicheren Ort für Juden und Jüdinnen auf der Welt gibt. Dieser Terrorangriff der Hamas ist so grauenvoll, dass ich ein wirklich großes Problem damit habe, wenn mir Leute begegnen und lapidar sagen: „Ja, aber“. Solch einen Massenmord an einem Tag an Juden und Jüdinnen hat es seit der Shoah nicht mehr gegeben. Da gibt es kein „Ja, aber“.
Frage: Wann erleben Sie Antisemitismus?
Strack-Zimmermann: Der subtile unterschwellige Antisemitismus geht quer durch die Gesellschaft. In meiner Gegenwart sagte jemand vor Kurzem, dass die Amerikaner an der Seite Israels stünden, sei ja klar. Diese Solidarität würde ja auch mit „Judengeld“ finanziert. Unfassbar. Ich habe darauf sehr deutlich reagiert. Das sollten wir alle, ist man auch noch so müde, ist das Fest, auf dem man sich gerade aufhält, auch noch so schön. Das ist unsere Pflicht, wenn wir alle auch in Zukunft weiter in Frieden, Freiheit und Respekt miteinander leben wollen.